Wie kann ich mehr und vielfältigere Storys und Ideen produzieren? Für die Ideenfindung und das Story-Design sollten Sie in die Breite gehen, über vielfältige Ansätze nachdenken und mit Variationen spielen. Sie erhalten einen Überblick und Anregungen für Werbetexte, die Sie alle schreiben könnten.
Werbetext-Story 1: Die Überwindung des Monsters
Welche Story könnten Sie in einer Headline festhalten? Hier zum Beispiel eine Geschichte über das Monster. Oder den Faulpelz, der innere Schweinehund, das Staub- oder die Bakterien-Monster in der Toilette sind Biester, die überwunden werden müssen. Es können die Monster in uns sein oder welche die unser Leben bedrohen und Hirngespinste. Manch einer fürchtet sich schon vor kleinen Spinnen. Gefährliche. Schon die Kinder sehen Monster im Schrank. Andere sehen in der Toilette Bakterienmonster. Übermenschliche Kräfte in Gestalt fieser Kreaturen sind Archetypen, die uns aufwühlen und Angst einjagen. Sie eignen sich für spannende Geschichten – vor allem, wenn sie mit Produkten oder Dienstleistungen überwunden werden können. (Problem-Lösung)
Das klingt alles noch etwas unkonkret? Wie soll man das für den Werbetext nutzen? Hier ein gutes Anzeigenbeispiel. Der Stromanbieter Yello fordert in einer Anzeige zum Stromanbieterwechsel auf. Abbildung: Fantasie-Schweinehund. Headline: „Schick ihn weg.“ Fließtext: „Jetzt Schweinehund überwinden und zum günstigen Strom wechseln.“ Angekreuzter Coupon: „Ja, ich will ihn loswerden.“ Hier wird eine Geschichte über den inneren Schweinehund erzählt, der nur überwunden werden muss. Welche Werbe-Geschichte unter dem Aspekt der Überwindung des Monsters fällt Ihnen ein?
Werbetext-Story 2: Die Suche, die Mission oder der Kreuzzug
Besonders in der Baumarktwerbung brechen in Werbetexten die Hobbyhandwerker zu wahren Exzessen auf. Sie sind beseelt von ihrer Idee. Das neue Gartenhaus, der neue Rasen oder die neue Wendeltreppe. Hier werden Projekte zu Missionen. Kleine Niederlagen, wie Nägel in Handflächen, sind kein Grund aufzugeben. Wer seinen Garten liebt, suhlt sich im Dreck. Tränen und Schweiß werden vergossen, bis der Erfolg sichtbar wird und die schier unlösbare Aufgabe vollendet ist. Mit stolz geschwellter Brust ist der Protagonist am Projekt gewachsen und der Sieg über sich selbst und die Aufgabe steht ihm ins Gesicht geschrieben. Zeigen Sie Leidenschaft.
Die Mission der Baumarktkette Hornbach in der Headline: „Pavel, Ranjid, Mesut und Manfred. Hier arbeiten die vereinten Nationen.“ Die Automobilzeitschrift Auto, Motor, Sport schreibt in ihrem Claim: „Benzin im Blut.“ Der Hersteller für Berufsbekleidung schreibt: „Was Hakro heißen will, muss einmal durch die Hölle.“ Das Deutsche Handwerk schreibt zur Abbildung eines Handwerkers am Kölner Dom: „Ich ziehe keine Mauern hoch. Ich baue Gott ein Haus.“ Überlegen Sie sich drei Headline für Ihre Marke aus dieser Story-Perspektive …
Werbetext-Story 3: Vom Bettler zum König
Sind die ersten Erfolge eingefahren und weiterer absehbar, bieten sich Geschichten vom Aufstieg an. Die Erfolgsgeschichte vom Nobody zum Star oder aus einem kleinen Dorf in die ganze Welt flößt dem Leser Vertrauen ein. Eine Marke im Aufstieg ist immer eine gute Investition und wenn viele andere zum Erfolg beigetragen haben, kann die Wahl nicht falsch sein. Die immer wieder geschriebene Geschichte von der Garage der Eltern zu einem der größten Computerhersteller der Welt ist ein solches Beispiel.
Das Aufstreben und Etwas-erreichen-wollen wirken bestätigend und zeigen den Ehrgeiz und das Selbstbewusstsein von Machern. Wir werden erreichen, was bisher keiner konnte. Der Messtechnik-Hersteller Blankenhorn schreibt: „Der 007 unter den Messschiebern. Normal ist nicht genug.“ Und es geht auch mal in umgekehrter Richtung. Die Steuerberater schreiben für ihr Personalmarketing: „Wir suchen alles nur keine Doppelnullen.“ Überlegen Sie sich eine Headline für Ihre Marke aus dieser Story-Perspektive …
Werbetext-Story 4: Die Reise und Rückkehr
Reise und Rückkehr sind typisch für Fantasy-Geschichten und in Werbetexten beliebt. Ein Protagonist (oder mehrere) tritt, meist versehentlich, von einer Zeit oder historischen Epoche in eine andere ein. Das Genre erzählt vom Verhalten einer Figur in einer ihr zeitlich und räumlich unbekannten Welt, unter ebenso unbekannten Wesen und Umständen. In dieser Fantasiewelt sind das Wunderbare und das Unheimliche beheimatet. Der Held muss Prüfungen bestehen und sich in der imaginären Welt behaupten. Er operiert dabei mit einer Lösungsformel oder einem Gegenbann, der ihn befreit, schützt, Probleme löst und ihn wieder zurück in seine alte Welt bringt. Die Protagonisten kommen verändert zurück.
„Cast Away“ ist ein solches Filmbeispiel, aber auch „Die Zeitmaschine“, „Die Fliege“ oder „Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft“. Das alkoholfreie Bier Clausthaler schreibt: „Ist es nicht besser, morgens aufzuwachen und der One-Night-Stand ist tatsächlich schön?“ Die Lufthansa schreibt: „Waren die Lücken das Beste in deinem Lebenslauf?“
Werbetext-Story 5: Die Komödie und der Humor
Humor ist eine weitere Möglichkeit der emotionalen Ansprache. Er erregt und aktiviert die Aufmerksamkeit. Keine Gefahr ist, dass Pointen nach mehrmaligem Lesen langweilig werden könnten. Wir lesen und erzählen Witze immer wieder, weil wir genau diesen einen Gag lieben. Humor muss die Botschaft stützen und einen Zusammenhang zwischen dem Produkt und der Pointe herstellen.
Das entscheidende Element einer humorvollen Situation liegt in der Überraschung. Wir besitzen eine Erwartung, die nicht erfüllt wird und durch eine überraschende Wendung gebrochen wird. Diesen Bruch empfinden wir als komisch. Durch Humor wird erzählbar, was ohne ihn unangenehm oder gar nicht zu erzählen wäre. Er spielt in den sozialen und gesellschaftlichen Beziehungen eine große Rolle und kann dabei vieles aufdecken und verdeutlichen.
Wenn man über Humor in der Werbung spricht, muss man unterscheiden, welcher Humor eingesetzt wird, wie er eingesetzt wird und auf wen er sich bezieht. Macht sich der Kommunikator zum Clown und damit lächerlich, nur weil er Humor einsetzt? Mit Sicherheit nicht. Lachen oder Witze erzählen ist ein Ausdruck von Macht. Humor in der Werbung steigert die Beliebtheit des Kommunikators und erzeugt eine positive Stimmung. Humor und Selbstironie verändern das Image schnell und nachhaltig. Der Unterhaltungswert kann zum Beispiel einem Thema absichtlich die Ernsthaftigkeit nehmen. Ernsthaftigkeit schließt also eine übersteigerte Komik nicht aus und umgekehrt. Humor ist grundsätzlich für jedes Thema einsetzbar. Bei bestimmten Themen verbietet sich der Einsatz von Humor von selbst – glaubt man. Das gilt aber nur so lange, bis der Erste die nächste Tabugrenze überschreitet und das Gegenteil beweist oder die Gesellschaft dafür reif ist. Niemand wird annehmen, dass eine Lebensversicherung unseriös sei, nur weil der Text mit Humor arbeitet.
Wer den Paradigmenwechsel im Werbetext als Erster wagt, gewinnt. Heute lacht man über den Einbeinigen, der einen Turnschuh aus der Auslage klaut, dem Verkäufer mit seinem Holzbein davonläuft und damit für die Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderungen wirbt. Noch gestern hätte man das als politisch unkorrekt empfunden. Heute wirkt das Lachen darüber wie eine Befreiung. Humor bietet sich in jeder Situation an. Es kommt nur darauf an, wie man über was lacht und um welche Art von Humor (Comedy, Slapstick, schwarzer Humor) es sich handelt. Die Tageszeitung Berliner Morgenpost schreibt: „Berlin ist, wenn Baustellen ständig durch Straßen gestört werden.“ Netflix schreibt zum Serienstart von „Better call Saul“: „Sei immer du selbst außer du wirst polizeilich gesucht.“
Je größer und selbstbewusster sich ein Unternehmen darstellt, desto mehr Abwehrreaktionen und Widerspruch erwächst bei der Zielgruppe. Mit anderen Worten die Bahn sollte nicht behaupten, dass sie pünktlich kommt. Die User werden es sofort anzweifeln und die Aussagen als unglaubwürdig ablehnen. Die Psychologie nennt dies Reaktanz. Großes Selbstbewusstsein und Überheblichkeit sind Gift für die Kommunikation und Einstellungsänderung. Humor, Selbstironie und Understatement können Reaktanz verhindern und befreien nach innen und außen. Es ist also besser, wenn sich die Bahn über ihre Unpünktlichkeit lustig macht. Dann können wenigstens alle mitlachen und, dass sie pünktlich sein will wird ihr niemand absprechen können.